Einige Hinweise zum Umgang mit Klausuren

(verändert und erweitert nach: bsv Oberstufen-Geographie Industrieländer im Wandel, hrsg. von W. Fraedrich u.a. 2004, S.142f)

0. Allgemeines

Eine Klausur dient dem individuellen Leistungsnachweis und dokumentiert Ihren Wissens- und Könnensstand. Die Klausur wird aus mehreren Teilaufgaben bestehen. Eine intensive und geplante Vorbereitung ist vorher auf jeden Fall notwendig. Entsprechend ist dieser Text aufgebaut, der dazu in einem ersten Abschnitt einige Hilfestellungen anbieten soll. Anschließend wird es um das Verständnis der Aufgabenstellungen gehen, die in der Oberstufe durchaus mehrgliedrig und auf entsprechend hohem Niveau angesiedelt sein können. Zudem machen sie eine zusammenhängende, gleichwohl gegliederte und vollständig an der Aufgabenstellung orientierte Darstellung der Ergebnisse notwendig, wovon im dritten Abschnitt gesprochen wird. Abschließend stellt sich die Frage, wie die Klausurergebnisse zu werten und richtige Schlüsse daraus zu ziehen sind.

1. Vorbereitung

Hierbei gilt:

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2. Verständnis der Aufgabenstellung

Klausuraufgaben im gymnasialen Bereich sind anspruchsvoll. Aber wenn Sie gelernt haben, sie zu "entschlüsseln", sind sie oft nur noch halb so schwer. Eine Aufgabenformulierung zum Thema "Die Bevölkerungsverteilung in Deutschland" könnte zum Beispiel lauten:

Begründen Sie die Verteilung der Bevölkerung in Deutschland aus den natur- und wirtschaftsräumlichen Gegebenheiten!

Die Sache, um die es hier geht, ist also die Verteilung der Bevölkerung in Deutschland. Diese Aufgabe hat auch eine Arbeitsanweisung, die über einen so genannten Operator (siehe dazu Tabelle weiter unten) genau vorgegeben wird: "Begründen Sie ..."

Wenn Sie jetzt z.B. die Bevölkerungsverteilung beschreiben, reicht das nicht aus. Aber es wird andererseits nicht von Ihnen verlangt, die Folgen aus dieser Verteilung zu bewerten. Sie sollen hier ausschließlich Gründe angeben.

Die Beispielaufgabe hat auch noch einen Zusatz: "... aus den natur- und wirtschaftsräumlichen Gegebenheiten". Das ist in diesem Fall eine Forderung, kann aber auch ein hilfreicher Hinweis z.B. auf Arbeitsmaterialien, die verwendet werden können, auf die geforderte Art der Darstellung u.a. sein.

Ganz wichtig: Ohne Vorüberlegungen einfach draufloszuschreiben könnte z.B. zu den nachfolgend dargestellten Ergebnissen führen:

  1. Die Bevölkerungsverteilung wird recht genau und auch zutreffend beschrieben, darüber hinaus sogar mit einer kleinen Kartenskizze versehen. Problem: Gefordert war eine Begründung! Also ist die Arbeitsanweisung nicht beachtet worden.
  2. Sehr ausführlich und kenntnisreich werden die Probleme beschrieben, die sich aus der ungleichen Bevölkerungsverteilung für Deutschland ergeben. Problem: Der Inhalt der Aufgabenstellung ist ein anderer. Demnach ist zumindest teilweise das Thema verfehlt worden!
  3. Die historischen Gründe, die zur heuten Bevölkerungsverteilung geführt haben, werden ausführlich und inhaltlich korrekt dargestellt, die naturgeographischen Bedingungen sind aber nur am Rande erwähnt. Problem: Der Zusatz blieb unbeachtet, der in diesem Fall aber kein unverbindlicher Hinweis ist, sondern eine klare Forderung.

Sie müssen bei Klausuraufgaben alle drei beschriebenen Problemfelder beachten, sonst besteht die Gefahr, dass Sie die Anforderungen nicht erfüllen - und das schlägt sich immer in der Bepunktung der jeweiligen Lösung nieder.

Daraus folgt: Der schlimmste Fehler, den Sie machen können, ist: sofort draufloszuschreiben! Sie sollten sich stattdessen zunächst die Aufgabe sehr gründlich anschauen und folgende Fragen durchdenken:

Erst wenn Sie hierdurch die Aufgabenkomponenten verdeutlicht haben, verstehen Sie die Aufgabe und können die Antwort konzipieren

Besonders schwer fällt es erfahrungsgemäß, die Arbeitsanweisungen zu erfassen. Hierzu benutzen Lehrer oft Verben wie "darstellen", "erläutern", "aufzeigen", so genannte Operatoren. In der folgenden tabellarischen Übersicht wird erläutert, was die einzelnen Anweisungen von Ihnen verlangen. Dabei wird in drei Anforderungsbereiche untergliedert, die vor allem in den Abiturklausuren insgesamt geprüft werden müssen.

Tabelle: Arbeitsanweisungen in Klausuraufgaben und ihre Zuordnung zu einzelnen Lern-/Anforderungsebenen

Anforderungsbereich Arbeitsanweisung Erläuterung
I.

Reproduktion und Reorganisation von Inhalten in Verbindung mit den gelernten sprachlichen Darstellungs- und methodischen Vorgehensweisen. Diese Anforderungen beziehen sich auf das Kennen historischer, politischer, räumlicher Strukturen, auf Organisationsformen und Prozesse.

nennen ohne Erläuterung aufzählen
wiedergeben, zusammenfassen, skizzieren stischwortartig zusammenfassen
beschreiben, aufzeigen, darlegen durch umfassende Angaben ausdrücken
untersuchen an einen Gegenstand gezielte Fragen richten und deren Ergebnisse darstellen
gliedern, abgrenzen nach Ordnungsmerkmalen trennen und unterscheiden
II.

Dieser Anforderungsbereich verlangt die selbstständige Analyse auf der Grundlage des Gelernten und das Anwenden auf neue, vergleichbare Zusammenhänge.

erläutern beschreibend und veranschaulichend darstellen
vergleichen unter verschiedenen Gesichtspunkten Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausstellen
erklären, analysieren durch Worte das Verstehen von Ursachen und Zusammenhängen ermöglichen
III.

Zielt auf den Nachweis der Urteilsfähigkeit: erfordert problemerkennendes, problemlösendes und reflektierendes Denken in Bezug auf historische, gesellschaftliche, räumliche Organisationsformen und Prozesse.

begründen Ursachen und Auswirkungen zueinander in Beziehung setzen
prüfen eine Hypothese an vorhandenen Bedingungen oder an ihrer inneren Logik messen
beurteilen begründete Aussagen über Richtigkeit / Wahrscheinlichkeit / Angemessenheit / Anwendbarkeit eines Sachverhalts oder einer Behauptung machen
bewerten zu einem Sachverhalt oder einer Behauptung persönlich Stellung nehmen; mit Bezug auf eine Wertung entscheiden
erstellen ein Kozept / Wirkungsgefüge etc. entwickeln / darstellen; Strukturen verdeutlichen
erörtern einen Sachverhalt aus unterschiedlichen, aber sachlich und logisch vertretbaren Positionen betrachten; die eigene Meinung sollte dabei zum Ausdruck gebracht werden

Es wird also klar, dass die Aufgabenstellungen entsprechend der verwendeten Operatoren in der Tabelle von oben nach unten gesehen anspruchsvoller werden. Es lassen sich aber meist noch viele weitere Schlüsse daraus ziehen. So wird gleichzeitig, je weiter unten man sich in der Tabelle bewegt, die erwartete Antwort umfangreicher sein. Der zu durchdenkende Sachverhalt und die geforderte Bearbeitung werden komplexer, es wird von Ihnen erwartet, dass Sie genauer auswählen, das Wesentliche darstellen, dabei jedoch Unnötiges weglassen, also eine prägnante und präzise Ausdrucks- und Arbeitsweise erkennen lassen. Zunehmend wird es um immer abstraktere Problemstellungen gehen, es wird weniger Auswendiggelerntes hingeschrieben werden können und es werden zunehmend "Ich schreibe einfach alles hin, was ich weiß"-Antworten auch zu keinem ausreichenden Ergebnis bei dieser Aufgabe mehr führen. Über diese Sonderform der Bantwortungsstrategie wird weiter unten noch zu reden sein. Ach ja, sicher nicht der uninteressanteste Aspekt: Je mehr verlangt wird, auch an Denkleistung, desto mehr Punkte sind im Normalfall zu erreichen. Sonderformen zu allem bisher Gesagten lassen sich natürlich vorstellen, etwa eine Aufzählung ganz vieler relevanter Einzelaspekte gegenüber einer ganz knappen Wertungsaufgabe, sind aber in der Realität selten. Weiter zu bedenken: Häufig befinden sich die abstrakten Aufgaben am Ende der Klausur, da sie der Nennen-/Erläutern-Formen als Grundlage bedürfen. In diesem Fall wäre es trügerisch, nach dem Schema Hälfte der Aufgaben = Hälfte der Zeit vorzugehen, da Sie für die komplizierteren Aufgaben auch länger brauchen werden (und sollen).

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3. Darstellung der Ergebnisse

Für eine gute Klausurnote reicht es nicht aus, die Aufgabenkomponenten richtig zu verstehen und die beiliegenden Materialien korrekt auszuwerten. Sie müssen es schaffen, Ihre Gedanken dem korrigierenden Lehrer in akzeptabler Form mitzuteilen.

Für eine angemessene Darstellung Ihrer Ergebnisse hier einige Tipps:

  1. Erst denken, dann schreiben!
    Wenn Sie ein Ergebnis darstellen wollen, setzt das voraus, dass Sie eins haben. Vermeiden Sie, gleich nach dem Lesen der Aufgabe loszuschreiben.

    Das kostet Zeit, weil Sie nämlich zu viel schreiben.
    Das kostet Punkte, weil Sie vielleicht an den Anforderungen der Aufgabe vorbeischreiben.
    Das kostet Sicherheit, weil Sie hoffen müssen, der Lehrer akzeptiert, was Sie auf Verdacht geschrieben haben.
    Das kostet Nerven (den Lehrer).

    Das Denken sollten Sie sich also nicht ersparen. Immerhin ist auch als Anforderung für die Abiturprüfung eine Problemerörterung vorgesehen.

  2. Gliedern!
    Von einem angehenden Abiturienten erwartet man strukturiertes Denken. Eine gegliederte Darstellung oder logische Argumentation entwickelt man je nach Themenstellung folgendermaßen: Pro - Kontra; zunächst - dann; Entwicklung - Ergebnis - Zukunft; Ursachen - Folgen; Theorie - Praxis; usw. Legen Sie sich deshalb einen roten Faden zurecht, bevor Sie ans Schreiben gehen. Stichpunkte auf einem Konzeptpapier sind nicht nur hilfreich, sie sind unumgänglich!
    Wichtig: Ihre Gliederung sollte man auf dem Papier sehen! Also schaffen Sie Absätze, Zwischenüberschriften, Unterstreichungen, formulieren Sie eventuell auch eine knappe Begründung der Vorgehensweise ("Ich gehe zunächst einmal auf ... ein, weil ...").

  3. Recht schreiben und korrekt Satz bauen!
    Beachten Sie die Regeln der deutschen Grammatik und Rechtschreibung. Fehler in diesen Bereichen werden bei Häufung immer mit Punktabzügen bewertet, beispielweise nach den allgemeinen Richtwerten, die der Band bsv Oberstufen-Geographie (siehe oben) folgendermaßen angibt: Abzug eines Punktes bei durchschnittlich fünf Fehlern auf einer in normaler Schriftgröße beschriebenen Seite; Abzug von zwei Punkten bei durchschnittlich sieben und mehr Fehlern; ...
    Vermeiden Sie unsinnige oder undurchsichtige Konstruktionen sowie abschreckende Leichtsinns- und sonstige Fehler, wie sie in den wenigen Beispielen auftauchen, die ich aus einem reichhaltigen Fundus hier zusammengestellt habe.
    Außerdem sollten Sie die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung beachten, idealerweise bereits auf dem Stand von Juli 2006. Auf einen kurzen Nenner gebracht, sollte für Ihre Antworten also gelten:
    - neue Rechtschreibung beachten,
    - Kommaregeln nicht vernachlässigen,
    - Groß- und Kleinschreibung beachten,
    - keine Bandwurmsätze bilden.

  4. Aufgabenstellung nicht aufgeben!
    Allzu leicht übersieht man in der Aufgabenstellung Hinweise, Hilfen und Eingrenzungen. Im zweiten Abschnitt "Verständnis der Aufgabenstellung" ist dies bereits angesprochen worden. Machen Sie sich aber auch beim Schreiben zwischendurch immer wieder klar: "Was soll ich darstellen?" und "Wie soll ich es darstellen?" Oft wird die Zeit nur deshalb kanpp, weil Sie zu viel schreiben und das Ziel der Aufgabe aus dem Blick verlieren. Und oftmals ist eine falsche Zeiteinteilung Ursache dafür, dass nicht alle vorgelegten Klausuraufgaben vollständig bearbeitet werden. Da Sie ja schon zu Beginn der Klausur genau wissen, wie viel Zeit Ihnen für die Bearbeitung zur Verfügung steht, ist es hilfreich, sich einen Zeitplan zu erstellen, mit dem man den jeweiligen Beginn der Aufgabenbearbeitung der einzelnen Teilaufgaben festlegt (Angabe der genauen Uhrzeit). Diese Zeitangaben platziert man in seinem Gliederungsentwurf so, dass man die Angaben bei jedem Blick auf die Gliederung sieht. Wichtigster Punkt, der nicht oft genug wiederholt werden kann, bleibt jedoch: Bieten Sie dem Korrektor keinen bunten Querschnitt aus ihrem reichhaltigen Geographiewissen an! In loser Folge dargelegte Weisheiten allgemeingeographischer Provenienz, gleichmäßig auf alle Antworten verteilt, offerieren dem Lehrer häufig Auswahlmöglichkeiten, die er nicht wahrnehmen will oder kann. Das bedeutet, dass ein richtiger Ansatz mit vielen enthaltenen Fehlern evtl. weniger Punkte gibt, als der selbe richtige Ansatz, wenn er alleine steht. Natürlich ist es mitunter schwierig zu erkennen, was genau und ausschließlich auf die eine Aufgabe zu antworten ist. Eine genaue Analyse, von der bereits gesprochen wurde, ist dazu unumgänglich. Dennoch ist es wichtig, nur das Dazugehörende hinzuschreiben und das auch nur bei der entsprechenden Aufgabe. Bedenken Sie: Alle Kursleiter tüfteln sehr lange an der Stellung der Aufgaben und überlegen genau, was geantwortet werden kann und wie darauf die einzelnen Punkte verteilt werden. Niemand wird aber aus verschiedenen Antworten und diversen Stellen einer Klausur die Lösung einer Aufgabe zusammenpuzzeln und darauf die volle Punktzahl vergeben.

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4. Aus den Klausurergebnissen lernen

Bei der Durchsicht der korrigierten Klausur werden Sie den Erfolg Ihrer Bemühungen zunächst einmal an der Klausurnote festmachen. Dennoch sollten Sie auch die Anmerkungen und Randbemerkungen des Lehrers aufmerksam durcharbeiten. Er will Ihnen damit seine Bewertung erläutern und eine Hilfestellung für zukünftige Klausuren geben. Er liefert Ihnen Verbesserungsvorschläge und zumindest Anregungen dahingehend, wie Sie das Ganze hätten besser machen können. Im Übrigen: Hier schließt sich der Kreis, denn eine gründliche Nachbereitung einer korrigierten Klausur ist eine sehr gute Vorbereitung auf die bevorstehende. Wer zudem bestimmte Formalfehler zu häufig gemacht hat, sollte sich in Zukunft auch in dieser Richtung bemühen und sich die richtige Schreibweise eines Wortes oder die entsprechende Zeichensetzungsregel einprägen.

Bitte beherzigen Sie diese Zusammenstellung soweit wie möglich. Von meiner Seite Ihnen allen viel Erfolg und gutes Gelingen in der nächsten Klausur.

Martin Reicheneder

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